Elternzeit – Meine Erfahrung
Als ich zum ersten Mal darüber nachgedacht habe, Elternzeit zu nehmen, war Mitte 2020. Damals war sowieso eine sehr wilde Zeit, keiner wusste, wie Homeoffice funktioniert, und alle waren Experten zu Fallzahlen und exponentiellem Viruswachstum.
In dieser Zeit erfuhren meine Frau und ich, dass wir ein Kind erwarten. Das Glück war riesig und nach der Geburt des Großen entschlossen wir, die Elternzeit gleichmäßig je zur Hälfte aufzuteilen. Meine Frau ist jemand, der nicht still sitzen kann, und ich bin jemand, der gerne längere Auszeiten nimmt. Also war es nur logisch, es aufzuteilen. Abgesehen davon konnten wir es uns glücklicherweise finanziell leisten. Wir arbeiteten beide Vollzeit, und ich war und bin immer noch der mit dem kleineren Gehalt.
Die erste Hürde, die zu nehmen war, war die Online-Beantragung des Elterngeldes. Gehaltsnachweise, Geburtsurkunden, Nachweise dies, Nachweise jenes… Im Nachhinein war die Beantragung das kleinste Problem. Meine Frau sollte die ersten 7 Monate in Elternzeit gehen, ich die zweiten 7 Monate. Für meine Frau war alles easy, kein Problem.
Als ich bei meiner damaligen Arbeitsstelle die Elternzeit anmeldete, wurde sehr verwundert auf die Dauer meiner Elternzeit reagiert. So lange? Kann ja nicht sein! Wirklich? Krass!
Diese Reaktion war und ist kein Wunder, denn noch immer sind laut offiziellen Statistiken auf Destatis.de nur ca. ¼ der Väter überhaupt in Elternzeit. Dieser Anteil ist seit 2020 mehr oder weniger stabil. Gleichzeitig ist die durchschnittliche Dauer mit knapp 4 Monaten bei Vätern und fast 15 Monaten bei Frauen im Jahr 2024 erschreckend unterschiedlich.
Nachdem ich versicherte, mich nicht verschrieben zu haben, fingen die Probleme erst richtig an. Ich wurde von meiner damaligen Chefin regelrecht gemobbt. Nur kurz Windeln wechseln? Geht gar nicht! 10 min Pause machen, damit meine Frau in Ruhe duschen kann? Arbeitszeitbetrug! (Vielleicht schreibe ich zu dem Thema noch einen Blogeintrag, mal sehen.)
Generell kann man sagen, dass die Akzeptanz von Vätern in Elternzeit, sagen wir… verbesserungswürdig ist. So haben laut einer vom Bundesministerium für Familie beauftragten Studie aus dem Jahr 2022 über 60 % der Väter ihr Unternehmen als nicht väterfreundlich eingestuft, was Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht. Das ist eine ganz schöne Hausnummer.
Auch in meinem Umfeld gibt es Erfahrungen mit väterunfreundlichen Unternehmen. Es sind immer wieder Geschichten, die einen zweifeln lassen am gesellschaftlichen Fortschritt.
So erzählte ein Bekannter von mir, dass sein Chef, nachdem von meinem Bekannten Elternzeit angemeldet wurde, meinte: „Elternzeit? Das werde ich zu verhindern wissen!“
Der Mann einer Bekannten wurde nach seiner Elternzeit als Drückeberger geframed und ihm wurden nur noch einfachste oder unmögliche Aufgaben zugewiesen. Entnervt kündigte er dann nach einiger Zeit.
Meinem Schwager wurde nahegelegt, doch nicht mehr als 2 Monate Elternzeit zu nehmen. Er müsse doch an seine Zukunft im Unternehmen denken.
Ich selbst habe meine siebenmonatige Elternzeit sehr genossen und bin dann wieder Vollzeit in die Arbeit eingestiegen. Erst war alles in Ordnung, aber nach und nach gab es Unstimmigkeiten. Hier eine Kleinigkeit, dort ein kleiner Hinweis. Das wurde irgendwann größer und größer, bis mir versucht wurde, etwas in die Schuhe zu schieben, was ich nicht gewesen sein kann. Ich war nämlich in Elternzeit! Danach wurde gemicromanaged, jeder Mausklick infrage gestellt und mir das Leben schwer gemacht. Zum Glück wurde ich dann aus betrieblichen Gründen entlassen und habe eine nette Abfindung bekommen.
Diese Beispiele zeigen deutlich, dass sich in Sachen Akzeptanz von väterlicher Elternzeit in den Unternehmen, aber auch vor allem in den Köpfen der Menschen viel ändern muss.
Heute bin ich froh, in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem es völlig akzeptiert ist, wenn Väter Elternzeit machen. Ich freue mich auf das Jahr in Teilzeit und die Möglichkeit, mich mehr am Familienleben zu beteiligen. Vor allem freue ich mich auf die Zeit mit dem Großen und der Kleinen.
Welche Erfahrungen habt ihr mit Elternzeit gemacht? Wurde es euch schwer gemacht oder eher leicht? Ich freue mich auf eure Kommentare und Rückmeldungen,
Euer IdleHirn
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